Ein Tag im Leben von...Yurleidys Nietos Salas
Yurleidys’ Mutter Luzduris ist alleinerziehend. Sie hat drei Kinder von verschiedenen Männern, von denen nur einer sie ab und unterstützt. Als älteste Tochter trägt Yurleidys deshalb mit ihren 14 Jahren schon viel Verantwortung.
4.40 Uhr: Der Handyalarm schrillt. Im Armenviertel El Limonar ist es finster. Ihre Mutter und die beiden Geschwister schlafen noch. Yurleidys wälzt sich aus dem Bett. Sie duscht und macht sich für den Schultag bereit. Ihre langen lockigen Haare zu kämmen, kostet sie am meisten Zeit. Sie macht sich ihr Frühstück selbst und geht los Richtung Schule. Um 6 Uhr beginnt die erste Stunde.
Der Lebensunterhalt der Familie hängt vom Einkommen von Yurleidys’ Mutter Luzduris (29) ab. Doch diese hat Mühe, Arbeit zu finden. Sie muss nehmen, was sie bekommt, auch wenn die Arbeitszeiten ständig wechseln und sie Nachtschichten machen muss. Yurleidys war schon seit sie klein ist die Person, die sich um den Haushalt und die Geschwister kümmert. Sie putzt, kocht, wäscht, hilft Naileth (9) mit den Hausaufgaben und ist für Jhosep (4) da. All dies tut sie, um ihre Mutter zu entlasten, die oft müde oder krank ist. Zurzeit ist die Lage etwas besser als auch schon. Luzduris hat eine Stelle als Assistentin im Call-Center des kolumbianischen Getränkeriesen Postobon. Dort verdient sie das gesetzliche Minimum, umgerechnet etwa 240 Franken pro Monat. Sie verlässt das Haus meist um 7.30 Uhr und kehrt um 18.30 Uhr heim. Am Sonntag hat Luzduris frei. Dann ist Familienzeit.
12.50 Uhr: Yurleidys rennt aus der Schule nach Hause. Zum Glück ist der Weg nicht so weit. Dort holt sie ihre neunjährige Schwester ab, für die um 12.30 Uhr die Schule beginnt. Naileth hat den ganzen Vormittag allein daheim verbracht, gefrühstückt und sich auf die Schule vorbereitet. Ist die Kleine in der Schule, geht Yurleidys jeden Tag zum Sitz der Stiftung Presencia, um etwas Kleines zu essen. Das ist ein wichtiger Teil ihrer Ernährung, denn daheim reicht das Geld oft nicht für drei Mahlzeiten. Karina heisst ihre Betreuerin. Bei den regelmässigen Treffen mit ihr kann ihr Yurleidys alles sagen, was sie bedrückt. An solchen Tagen verbringt das Mädchen den Nachmittag am Sitz der Stiftung. Manchmal muss sie aber fernbleiben, wenn beispielsweise eines der Geschwister krank ist.Heute ist kein Treffen vorgesehen, also kehrt Yurleidys nach Hause zurück. Dort kocht sie für sich, aber auch gleich Teile des Abendessens für die Familie. Anschliessend kümmert sie sich um den Haushalt, räumt auf und macht die Küche sauber. Später beginnt sie mit den Hausaufgaben.
17.20 Uhr: Die beiden Kinder holen ihre Schwester von der Schule ab. Daheim machen sie Hausaufgaben und warten, bis auch ihre Mutter nach Hause kommt. Meistens bereitet Yurleidys alles fürs Abendessen vor – seltener kocht ihre Mutter. In der Regel gibt es Reis und Bohnen, dazu Eier und frittierte Kochbananen. Abends gibt es manchmal auch Arepas aus Maismehl oder Kartoffeln. Yurleidys kann gut kochen, darauf ist sie stolz. Seit sie 11 Jahre alt ist, liegt das in ihrer Verantwortung. Am liebsten kocht sie Reis und Bohnen, aber den Kindern schmecken Spaghetti am besten. Ist ihre Mutter da, hat Yurleidys Zeit für sich und tut, was ihr wichtig ist: beispielsweise Volleyball spielen und Zeit mit Gleichaltrigen verbringen.
20.50 Uhr: Yurleidys ist wieder daheim. Sie wäscht sich, putzt die Zähne und geht ins Bett. Denn der nächste Tag wird wieder lang werden.